THEORIE

Dieser Text stammt aus dem Jahre 2010, anläßlich der Gründung des Krisenzentrums

Warum ist in der gegenwärtigen Krisensituation Gelächter unerlässlich? Warum sollten sich Frauen ihrer prekären Situation sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Bereich der Komik unbedingt entledigen?
Von der globalisierten Krisensituation, wie sie uns heute in ihren komplexen Zusammenhängen begegnet, geht eine erhebliche Überforderung vorhandener Urteils- und Analysefähigkeiten aus. Die Auseinandersetzung mit der eigenen politischen Situation ist in diesem Kontext notwendig mit vielen Anstrengungen verbunden. Unter dem Eindruck, den gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber machtlos zu sein, gelangen Frauen deshalb oftmals zu dem Entschluss, lieber weiterhin, anstatt sich Sorgen zu machen oder sich mit der Flut an Informationen zu überfordern, als Agentin ihres Produkts „Ich“ die Marktgesetze zu bedienen, die etwa in den gegenwärtigen urbanen Kunst-, Medien- und Kulturszenen gültig sind. Die individualisierte Arbeit, die daraus resultiert, ist sehr einsam und fördert Entpolitisierung und Frustration. Dabei gehören gerade weibliche Kulturschaffende zu einer sozialen Schicht, die in höchstem Maße prekarisiert ist. Die massive Verschuldung des Staates, die durch die Sicherungsgarantien für den Finanzsektor und aufgrund von Konjunkturprogrammen zur Stützung der Wirtschaft weiter ansteigt, schränkt die Möglichkeiten für notwendige gesellschaftliche Aufgaben stark ein und wird sie auch in Zukunft noch zunehmend begrenzen.
In diesen allgemeinen Zusammenhängen können die Möglichkeiten des Komischen in mehrfacher Hinsicht in Anspruch genommen werden: 1. übt Komik die Versuchung intellektuellen Vergnügens aus und senkt daher die Hürden der Auseinandersetzung mit komplexen Wirklichkeitsbezügen; 2. bringt sie neue Kriterien kritischen Urteilens hervor und steigert daher das analytische Vermögen; 3. verlangt sie Formen kollektiver Rezeption und stiftet daher mögliche Zusammenhänge gemeinsamen Handelns; und 4. sind ihre Wirkungsrichtungen nicht dogmatisch eingrenzbar und erschweren daher verallgemeinerte ideologische Komplexitätsreduktionen.

Zur Lage weiblicher Komik

Das Verhältnis von ‚Weiblichkeit‘ und ‚Komik‘ ist immer noch wenig erforscht, auch wenn in der politischen Konjunkturphase des Feminismus in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Interesse daran laut wurde. So ging die Kabarettistin Hilde Wackerhagen bereits 1984 der Frage nach, warum es so wenige Kabarettistinnen gibt und argumentierte, dass nur diejenigen vernehmbar Kritik üben können, die bereits in irgendeiner maßgeblichen Form an gesellschaftlicher Macht teilhaben. Frauen hingegen seien davon weitgehend ausgeschlossen, da sie innerhalb der politischen Strukturen keine Entscheidungskompetenz besäßen (vgl. Kotthoff 1988).
Diese Situation scheint sich nicht zuletzt mit einer deutschen Bundeskanzlerin im Jahr 2010 ein wenig verändert zu haben. Doch nach wie vor kann von einer Gleichverteilung von Machtpositionen in unserer Gesellschaft nicht die Rede sein.
Schon 1973 schrieb Naomi Weisstein in Why aren´t we laughing anymore: „[...] Wir müssen diese Fesseln des Selbstspotts, der Selbstverneinung abwerfen [...] Wir müssen eine Frauenkultur konstruieren, mit einem eigenen Charakter, einem eigenen Humor des Kampfes, einer eigenen Art, Widerspruch und Aufbegehren zu feiern.“ Strategien des Komischen im kulturellen und politischen Handeln von Frauen erscheinen bis heute als ebenso rar wie notwendig. In ihrem Essay über „Feminist humor: rebellious and self-affirming“ zitiert Lisa Merrill entsprechend George Meredith, der bereits 1877 in The Idea of Comedy Frauen auffordert, die komische Muse als einen ihrer besten Freunde zu begreifen. Frauen, so Meredith, wären blind ihren eigenen Interessen gegenüber, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf Sentimentalität statt auf Komödie richteten; denn Komödie sei ein Anzeichen für potentielle soziale Gleichheit der Geschlechter (Merrill 1988). Im Lichte dieser Entgegensetzung von Tränen der Sentimentalität und komödiantischem Gelächter ist zu konstatieren: Heulen kann jede, aber mit dem Lachen hapert es.
Die Unterrepräsentanz von Frauen in den theatralen Genres des Komischen – auf der Bühne, in Film und Fernsehen, von Slapstick- und Comedy-Formaten bis hin zum politischen Kabarett – wurde zahlenmäßig bislang nicht erhoben, ist jedoch evident. Protagonistinnen, die sich etablieren konnten, haben Ausnahmestatus. Oft bleiben dabei bestimmte Auftrittsformen vorenthalten oder es finden Festlegungen auf sehr begrenzte Spielarten des Komischen statt, etwa im Modus des „self-deprecatory humour“ (Russell 2002), der im Akt der Selbstherabsetzung die Reichweite des Gelächters stark auf die eigene Person einschränkt. All dies deutet darauf hin, dass genderabhängig verschiedene Zugänge zur Komik bestehen, und zwar nicht etwa in Form einer gleichsam eingeborenen verschiedenartigen Gemütslage des männlichen oder weiblichen Humors, sondern geregelt durch die differenten Positionen, die Männern und Frauen innerhalb der symbolischen Ordnung in unserer Kultur zugewiesen werden.

Die Titelformulierung des Projektes „weibliche Komik in der Krise“ ist daher in doppeltem Sinne aufzufassen. Gemeint ist die Dauerkrise des Komischen, die die Frauen betrifft, und gemeint sind zugleich die Chancen komischer Interventionen von Frauen in Zeiten der Fi­nanz- und Wirtschaftskrise.

„Das Lachen, eine freie Waffe in der Hand des Volkes? Aber welcher Art ist diese Waffe? Der Witz an dieser Waffe ist, daß sie gewissermaßen keine kritische Spitze hat. Eben das macht sie so gefährlich für die Techniken der Macht. In anderen Worten: Das Lachen läßt sich nicht formieren zu einer kritischen Gegenstimme der Opposition, die einen ausmachbaren Platz und eine kalkulierbare Funktion im Machtspiel zugewiesen bekommen könnte. Vielmehr setzt das Lachen auch noch diese machtfunktionale Regel der Bipolarität außer Kraft. Sie fällt gewissermaßen ins Leere.
...In einer paradoxalen Wendung könnte man sagen: das Lachen ist das Zeichen ohne Bedeutung. In dem Maße aber, wie es einen Riß in die Sinnfunktion einführt, muß jedes sich zur Weltanschauung schließende Sinnkonzept das Lachen fürchten, wie der Teufel das Weihwasser. Oder anders: In dem Maße wie ein politische Bewegung das Lachen ausschließt, tendiert sie zur Weltanschauung. Und von eben diesem Prozeß scheint mir auch die Frauenbewegung und der Feminismus in spezifischer Weise ergriffen.Jedenfalls in seiner Universität. Setzt sich auch hier, habituell und diskursiv ein normiertes Leiden durch? Eine normierte Identifikation mit der den Frauen zugeordneten Opferrolle?..“
Marianne Schuller „Wenn´s im Feminismus lachte“ aus „Im Unterschied“ Frankfurt 1990

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